Affären berühren einen besonders sensiblen Bereich unseres Lebens: Vertrauen, Intimität und Liebe. Wenn sie ans Licht kommen, erschüttern sie häufig das Fundament einer Partnerschaft. Viele Betroffene erleben eine Mischung aus Schmerz, Wut, Scham, Unsicherheit und der Angst vor dem Verlust.
So eindeutig die moralische Bewertung einer Affäre auf den ersten Blick scheint, so vielschichtig sind die Dynamiken dahinter. In meiner Arbeit als Systemische Therapeutin und Sexualberaterin lade ich Paare und Einzelpersonen dazu ein, nicht allein auf Schuld und Verfehlung zu schauen, sondern die Affäre als Symptom und Signal zu betrachten: Was möchte hier sichtbar werden? Welche Bedürfnisse. Konflikte oder Sehnsüchte drängen an die Oberfläche?
Affären als Spiegel innerer Sehnsüchte
Die belgisch-amerikanische Psychotherapeutin Ester Perel beschreibt Affären nicht nur als Vertrauensbruch, sondern auch als Ausdruck persönlicher Sehnsucht.
„In einer Affäre suchen Menschen oft nicht nach einem anderen Partner, sondern nach einem anderen Selbst“
Hinter der Affäre steckt also häufig nicht unbedingt die Unzufriedenheit mit der Beziehung, sondern auch ein Wunsch nach Lebendigkeit, Abenteuer, Selbstbestimmung oder einem Teil von sich selbst, der in der bestehenden Partnerschaft nicht mehr gelebt werden konnte. Systemisch betrachtet bedeutet das: Eine Affäre erzählt eine Geschichte, die über das Paar hinausgeht. Sie ist eingebettet in persönliche Biografien, familiäre Prägungen, gesellschaftliche Erwartungen und unausgesprochene Dynamiken im Beziehungssystem.
Die Realität des Schmerzes
Auch wenn eine Affäre neue perspektiven eröffnen kann, der Schmerz bleibt real und darf nicht klein geredet werden. Betroffene Partner*innen erleben häufig Fragen wie:
- Bin ich nicht gut genug?
- Kann ich jemals wieder vertrauen?
- Was sagt das über unsere Beziehung aus?
- Hat das, was wir hatten überhaupt noch eine Zukunft?
Diese emotionale Ausnahmezustand braucht Raum. Wut, Trauer und Verzweiflung sind keine Probleme, die gelöst werden müssen, sondern Reaktionen auf einen Vertrauensbruch. Erst wenn sie gewürdigt werden, entsteht die Möglichkeit. neue Wege zu gehen.
Perel betont:
„Eine Affäre kann sowohl eine Krise als auch eine Möglichkeit sein.“
Die entscheidende Frage ist, ob und wie Paare bereit sind, die Krise als Ausgangspunkt für Veränderung zu nutzen.
Vom Schuldvorwurf zum Verstehen
In der öffentlichen Diskussion wird Fremdgehen oft moralisch bewertet. Schuld und Unschuld scheinen klar verteilt. In meiner Sexualberatung wähle ich bewusst einen anderen Zugang: Nicht „Wer ist Schuld?“ sondern „Was wird hier sichtbar?“ ist die Leitfrage.
Affären können unterschiedliche Ursachen oder Funktionen im System einer Beziehung haben. z.B.:
- Ungleichgewicht von Nähe und Distanz: Wenn ein Partner sich nach Geborgenheit sehnt, der andere aber mehr Freiheit braucht, entsteht Spannung. Eine Affäre kann ein Versuch sein, diese Balance auf eigene Weise herzustellen.
- Unerfüllte Bedürfnisse und Fantasien: Wünsche, über die nicht gesprochen wird, verschwinden nicht – sie suchen sich andere Ausdrucksformen.
- Stillstand und Routine: Lange Beziehungen können in Gewohnheit erstarren. Eine Affäre bricht oft mit dieser Routine und bringt eine unterdrückte Sehnsucht nach Lebendigkeit zum Vorschein.
- Familiäre und kulturelle Prägungen: Viele von uns tragen unbewusste Vorstellungen von Treue, Liebe und Sexualität mit sich, die unser Handeln beeinflussen – und manchmal in Widerspruch zu unseren bewussten Werten stehen.
Der systemische Blick kann helfen, diese Dynamiken zu erkennen und sie in den großen Zusammenhang der Beziehung und der individuellen Biografien einzuordnen.
Der Weg durch die Krise
Wie es nach einer Affäre weitergeht, ist sehr individuell. Manche Paare entscheiden sich für eine Trennung, andere nutzen die Krise, um ihre Beziehung auf eine neue Ebene zu heben. In beiden Fällen ist der Weg oft von intensiven Gesprächen, emotionaler Arbeit und der Bereitschaft geprägt, sich ehrlich mit bisher Unausgesprochenem auseinanderzusetzen. Wichtige Schritte auf diesem Weg können sein:
- Raum für Gefühle schaffen – Schmerz, Wut und Trauer dürfen ausgesprochen und anerkannt werden.
- Die Affäre verstehen – nicht als reine Tat, sondern als Ausdruck bestimmter Bedürfnisse oder Dynamiken.
- Offene Kommunikation – über Wünsche, Grenzen, Verletzungen und Sehnsüchte.
- Neue Vereinbarungen treffen – wie Vertrauen wieder entstehen kann, welche Form von Nähe und Distanz für beide stimmig ist.
Dieser Prozess ist anspruchsvoll, aber er kann dazu führen, dass Paare nicht nur eine Krise überstehen, sondern eine tiefere Form von Intimität entwickeln.
Affären neu verstehen – ein Plädoyer für Neugier und Mut
Affären sind schmerzhaft. Sie erschüttern das Fundament von Vertrauen und Sicherheit. Und doch können Sie eine Chance sein: für mehr Ehrlichkeit, für das Entdecken verschütteter Wünsche, für mehr Lebendigkeit. Ester Perel bringt es auf den Punkt:
„Eine Affäre erzählt uns nicht immer nur etwas über die Beziehung, sondern oft auch über die Person, die sie hat.“
In dieser Perspektive liegt eine Einladung: Nicht vorschnell zu verurteilen, sondern hinzuschauen, auf das was sichtbar werden will.
Mein Angebot
Wenn Sie gerade mit dem Thema Affäre konfrontiert sind, begleite ich Sie gerne in einem geschützten Rahmen. Gemeinsam erkunden wir die Dynamiken, würdigen den Schmerz und suchen neue Wege – ob für eine gemeinsame Zukunft oder auf getrennten Pfaden.
Herzlich,
Alexandra Frei